Vietnam 2017, Teil 2, das Stickereidorf Quat Dong

Rund 25 km südlich von Hanoi liegt das Stickereidorf Quat Dong. In einem zu seinen Ehren erichteten Tempelchen erfährt man, dass der Vater der vietnamesischen Stickerei, Dr. Le Cong Hanh, von Quat Dong aus im 14. Jahrhundert im Gefolge eines Königs nach China reiste und dort eine neue Sticktechnik lernte. Nach seiner Rückkehr nach Vietnam lehrte er die Einwohner des Dorfes die neue Technik.

Ab dem 17. Jahrhundert verbreitete sich diese Sticktechnik in ganz Vietnam. In den 90er Jahren gab es in Quat Dong viele Werkstätten, in jeder arbeiteten 200 bis 500 Menschen. Als Vietnam zur Marktwirtschaft überging, schien das Kunsthandwerk zum Untergang bestimmt. Heute sticken in jedem Haushalt des Dorfes zwei oder drei Personen.

Wir kommen am frühen Nachmittag im Dorf an und müssen eine Weile suchen, bis wir eine offene Werkstatt finden. Eine Galerie hat aber offen und hier hängt eine Fülle von kleinen und großen gestickten Kunstwerken. Wir denken erst, dass es sich um maschinelle Stickerei handeln muss, auf der "nur" einzelne Stiche von Hand gemacht wurden. Ich muss zugeben, die Motive gefallen uns teilweise nicht recht. Einige Motive gibt es in jeder Größe, immer wieder. Diese Motive hier haben mir ganz gut gefallen.

Etwas später finden wir eine offene Werkstatt, in der zwei Frauen am Boden über Stickrahmen gebeugt sitzen. Die eine scheint an einem traditionellen Muster zu arbeiten, die andere stickt an etwas, was wir an keiner Stelle wieder finden können. Schade, dass wir nicht wissen, was aus dem roten Bild mal wird. Auf die Frage unseres Reiseführers, ob sie an einem eigenen Entwurf arbeitet, können wir keine Antwort bekommen.

 

 

Ob das daran liegt, dass in den meisten Fällen vorhandene Vorlagen verwendet werden? Hier kann man auch Packungen von vielen Motiven kaufen, die wir in der Galerie gesehen haben. Wahrscheinlich mit allem Zubehör: Vorlage, Seidenfaden und Seidenstoff.

Wir kommen in eine größere Werkstatt, hier stickt Meister Quoc Su, ein weithin bekannter Sticker, der zahlreiche Preise gewonnen hat. An diesem Tag macht auch das örtliche Fernsehen einen Bericht über ihn und seine Werkstatt.

In der Werkstatt von Quoc Su sticken zahlreiche Frauen und einige Männer. Hier sitzt man nicht auf dem Boden, sondern auf Stühlen, gebeugt über die aufgespannte Seide. Sie können sehen, dass die beiden Stickerinnen nach den Vorlagen arbeiten, die neben ihnen liegt.

An der Wand steht etwas, was uns allen auf Anhieb gefällt. Ob hier auch impressionistische Stickereien gemacht werden? Aber nein! Das ist die Rückseite einer Stickerei, die ganz traditionell daher kommt.

 

Die Stickerinnen und Sticker benötigen eine Fülle von farblich zart abgestuften Seidenfäden, hier liegen sie neben der Stickerei, die gerade gefertigt wird. Was sonst benötigt wird, findet sich in diesem Schrank.

In der Altstadt von Hanoi haben wir später in einer Galerie viele Stickereien gefunden, sogar eine riesige Stickerei mit dem Turmbau zu Babel von Bruegel. Dafür haben wir keine Vorlage gesehen. Was uns verspätet ganz klar geworden ist: alles hier wird von Hand gestickt, nichts ist maschinell gemacht. Ich mag mir kaum vorstellen, wie viele Stunden für eine solche Arbeit benötigt werden!