Eine textile Reise durch Schottland, 2016

Aus Schottland kommen Tweed und Tartan, Kilts und Schals. Kann man sich die Webereien anschauen und was gibt es außerdem an Textilkunst zu sehen? Eine Recherche im Internet hat allerhand Interessantes ergeben und zu einer Rundreise durch Schottland geführt. Von Glasgow aus über West Kilbride im Westen nach Inverness im Nordosten und von dort nach Knockando in den Highlands, dann nach Lochcarron in Selkirk, südlich von Edinburgh.

Die Scottish Quilt Championships waren leider gerade schon vorbei, als ich im Oktober reiste. Leider ist das auch schon "off season" und eine Weberei bietet z.B. im Oktober keine Führungen mehr an.

Die Rundreise beginnt in West Kilbride, das sich Craft Town Scotland nennen darf. Dort gibt es viele Studios von Künstlern und das Barony Center, eine alte Kirche, die in eine Ausstellungshalle umgewidmet wurde. Geboten wird die Ausstellung "Naked Craft" mit 10 schottischen und 12 kanadischen Künstlern. Zu sehen sind unter anderem Schmuck, Keramikblumen und eine traditionelle Harfe mit einer aus Papier gefalteten Notenschrift. Natürlich interessieren mich die textilen Kunstwerke am meisten und davon gibt es eine ganze Reihe.

In dem Faltblatt, das mir eine freundliche Dame gibt, ist auch von Perlenarbeiten im Stil der amerikanischen Mic-Mac-Indianer die Rede. Ich kann das Kunstwerk erst gar nicht finden und muss noch einmal nachfragen. Es stellt sich heraus, ich bin einfach daran vorbeigelaufen, weil mir die Arbeit auf den ersten Blick nicht gefiel. Die Arbeit ist von der Kanadierin Teresa Burrows und hat den Titel "She is undone. Our lady of the trapline". Sie stellt die Geschichte einer Frau dar, die jahrelang als Mann gearbeitet hat. Sie bittet den Gutsbesitzer um Hilfe. Dazu öffnet sie den Mantel und er erkennt, dass es eine Frau ist, die kurz vor der Niederkunft steht.

Jilli Blackwood aus Schottland zeigt ein Kleidungsstück mit dem Titel "The Argyle". Sie hat auf rote Seide schwarzen Baumwollstoff und blaue Seide gelegt und bestickt. Dann hat sie die oberen Schichten aufgeschnitten, bis die rote Seide wieder hervorschaut.

Joanne B. Kaar aus Schottland hat mit der Nadelbindetechnik Socken aus Binsen gearbeitet.

Amanda McCavour aus Kanada näht mit der Maschine auf vorher aufgezeichneten Linien auf wasserlöslichem Stoff. Sie hat die Bananenkisten nachgebildet, die sie beim Umzug benutzt hat. Die Arbeit nennt sie "Boxes".

Jeannette Sendler aus Schottland nennt ihre Arbeit "Between Notation". Eine Harfe aus den Stäben von Whisky-Fässern und mit einem geschnitzten Fragment eines alten Stuhls ist mit Leinenfäden bespannt. Die gefalteten Papierdreiecke sollen die Wellen und Bewegungen von Notenschriften und Klang symbolisieren.

Weiter zu den vielen Studios auf der Hauptstraße. Ins Studio 2 - Happyhills bittet die Textkünstlerin Roslyn Mitchell mich freundlich herein. Roslyn hat Interior Design und Architectural Drawing studiert. Sie zeichnet ihre Entwürfe ausführlich, manchmal arbeitet sie tagelang daran. Sie stickt und patcht Häuser, man kann auch eine Ansicht des eigenen Hauses in Auftrag geben.  Und: sie stickt "Windae Hingers", das ist Glasgow-Dialekt für die Damen, die bevorzugt auf ein Kissen gelehnt aus dem Fenster hängen und tratschen. Hier kann man sie von vorn und von hinten bewundern

Hier die Damen noch einmal von vorn und hinten und in Farbe!

Gut gefallen haben mir der mit Stoffstückchen beklebte Stuhl und der ebenso verschönerte Lampenschirm. Roslyn hat auch eine Website: www.roslynmitchell.co.uk

Im selben Studio, nur einen Raum weiter, arbeitet die Weberin Ange Sewel.
Sie webt unter anderem Kapuzenschals, die sie auch gleich vorführt. Auch interessant die Broschen, die sie aus Reststücken fertigt. Ich meine, das wären auch schöne Knöpfe. Ange gibt auch Webkurse und verkauft Webstühle. Ihre Website ist weftblown.com

Die beiden Damen schicken mich weiter in das nächste Studio mit dem Namen Old Maiden Aunt Yarns, wo zwei Damen arbeiten, die Färberin Lilith und die Strickerin Helen. Schöne Motive! Die Website ist : http://www.oldmaidenaunt.com

Weiter geht die Reise am Loch Lomond entlang zum Loch Ness und nach Inverness, wo gerade das International Knit Festival stattfindet. Nessie überall!

Natürlich gibt es überall Wolle zu kaufen und überall strickte jemand. Es gab auch eine bemerkenswerte Quiltausstellung, davon aber in einem anderen Bericht. Besonders gefallen haben mir vor allem die handgestrickten Schals und Jacken der dänischen Designerin Christel Seyfarth von der Insel Fanö. Wer mehr davon sehen will, findet das auf ihrer Website: www.christel-seyfarth.dk

Weiter geht es nach Knockando, Aberlour. Whisky-Liebhabern wird das gleich bekannt vorkommen. Die Woolen Mill liegt in Speyside, wo eine Whisky-Destille neben der anderen liegt. Aberlour und Knockando sind beides bekannte Whisky-Marken.

Die Weberei Knockando existiert seit 1784. Wie durch ein Wunder überstand die Weberei das allgemeine Sterben der kleinen Betriebe. Im Jahr 2000 wurde eine Stiftung gegründet, die 3,5 Millionen Pfund aufbrachte, die für die Restaurierung der Gebäude und Maschinen nötig waren. 2014 waren die Arbeiten abgeschlossen.

Leider arbeiten die Maschinen am Wochenende nicht. Führungen müssen angemeldet werden. Ich kann mir aber die Maschinen in den renovierten Gebäuden selbst anschauen. Inzwischen habe ich zwar allerhand Filme gesehen, in denen erklärt wird, wozu welche Maschine da ist, aber so ganz sicher bin ich da noch nicht. Auf einer Schautafel wird erklärt, dass der erste Schritt das Färben ist, dann kommt das Blending, bei dem die verschiedenfarbigen Fasern vor dem Kardieren und Spinnen gemischt werden. In dieser Phase werden sie auch mit etwas Öl besprüht, damit sie leichter zu handhaben sind.
Bei Wolldecken, die eine flanellartige flauschige Oberfläche bekommen sollen, wird die Maschine für das sogenannte Raising eingesetzt, die mit diesen Disteln bestückt ist. Sie rauen die Oberfläche von Wollgeweben auf, ohne sie zu zerreißen.

Es gibt ein nettes Café und einen kleinen Laden, in dem unter anderem auch der besonders für Knockando entworfene Tartan verkauft wird.  Der Designer inspirierte sich an einem Fenster des alten, erst vor kurzem restaurierten Gebäudes. Das große Fenster inmitten vieler kleiner wurde zum hellen Viereck im Karo des neuen Tartans.

Hier die Adresse:
Knockando Woolmill, Knockando, Aberlour, Moray AB38 7RP
Öffnungszeiten: 21. März- 4. Dezember, 10-16 Uhr, täglich.
Führungen müssen angemeldet werden.

http://www.knockandowoolmill.org.uk/

Südlich von Edinburgh in der kleinen Stadt Selkirk liegt die große Weberei Lochcarron. Leider bin ich drei Tage zu spät dran, denn nur bis Ende September finden Führungen statt. Immerhin gibt es einen großen Laden und ein Café. Im Laden wird nicht nur Tartan in allen Farben angeboten (siehe hierzu mein Artikel), es gibt jede Menge Schals, Kaschmirtücher und ein ganzes Fach voller Stoffreste, fein gebündelt.

Hier die Adresse der Weberei Lochcarron:
Lochcarron, Lochcarron Visitor Centre, Waverley Mill, Dunsdale Road, Selkirk, TD7 5DZ
http://www.lochcarron.co.uk

Öffnungszeiten des Ladens:
Montag bis Samstag: 9 bis 17 Uhr
Führungen: in der Zeit zwischen dem 1. März und dem 31. September

Als ich schon enttäuscht wieder abfahren will, fällt mir in der Nähe ein altes Gebäude auf, an dem ein Schild hängt auf dem "Shop" steht. Ich schaue durch ein ziemlich schmutziges Fenster und sehe alte Maschinen. Da kommt einer der Arbeiter heraus und fragt, ob er mir alles zeigen soll. Die Maschinen stammen teilweise noch von 1928 und wenn der elektrisch betriebene Webstuhl läuft, macht er einen Höllenlärm. Wie muss das gewesen sein in den alten Webereien, wenn 50 oder 100 Webstühle gleichzeitig liefen? Hier läuft nur einer!

An dem alten Webstuhl ist eine Kette, an der auf jedem Steg Pins angebracht sind. Wie bei einem Jacquard-Webstuhl regeln diese Pins, welcher Schaft wann gehoben wird. Natürlich müssen diese Pins vorher von Hand eingestellt werden.

Links neben dem Webstuhl ist eine Trommel angebracht, in der die Schiffchen mit den Schussfäden in unterschiedlichen Farben liegen. Die Schiffchen werden ganz nach Befehl durch das Fach geschossen.

Hier ein paar Beispiele für Tweeds, die in der Fabrik gewebt werden. Aus solchen Tweeds werden Jackets genäht.

Im Shop über der Werkstatt sind aber auch farbenfrohere Wollstoffe zu haben. Die kleine Weberei fertigt Einzelstücke im Auftrag von großen Webereien und arbeitet auch schon mal für berühmte Persönlichkeiten wie Dolly Parton. Sie wollte einen Tweed in Naturfarben und das Muster gefiel ihr dann so gut, dass sie viele Meter davon als Polsterstoff bestellt hat.

Hier noch die Adresse dieser kleinen Weberei:
Forest Mill, Dunsdale Road, Selkirk, Scotland, TD7 5EA

http://elliot-weave.co.uk/index.php?page=links