Luitgard Möschle - Textilkünstlerin

Ich kenne Luitgard schon lange, ihre Quilts fand ich immer ganz außergewöhnlich.

Mit einigen ihrer Quilts hat sie bei Ausschreibungen der Patchwork Gilde Preise gewonnen. Zum Beispiel mit diesem hier, den sie für die Ausschreibung anläßlich des 25. Geburtstags der Gilde eingereicht hat. Inzwischen hat Luitgard neue Wege eingeschlagen, sie übermalt und verändert ihre "alten" Arbeiten, so lange bis sie zufrieden ist. Das ist aus dem Quilt zum 25. Geburtstag geworden.

Ich habe Luitgard einige Fragen zu Ihrer Leidenschaft gestellt.

Wann und wie hat die Leidenschaft für das Textile angefangen ?

Angelegt hat diese textile Leidenschaft eigentlich meine Oma, welche leidenschaftliche Näherin war und uns schon als Kinder von Grund auf selbst benähte. Ich kann mich heute noch an das Offenburger Stoffgeschäft erinnern, mit Stoffballen und –regalen auf beiden Seiten, bis unter die Decke.

Das – denke ich – war der Grundstein. Schon als Jugendliche nähte ich mir zusammen mit einer Freundin das eine oder andere Sommerkleid. Das Kleidernähen habe ich später wieder aufgenommen, wobei ich eigentlich mit den Endresultaten überhaupt nicht zufrieden war.So habe ich 1993 begonnen – nachdem mein Nähmaschinenhändler den Begriff: Patchwork gestreut hatte – und auch schon eine Kursleiterin engagiert hatte. Vom Fleck weg – war ich süchtig. Ich habe mich an einen Sampler herangewagt – die zweite Decke war im LogCabinMuster – und ab den nächsten Decken waren die Stoffzusammenstellungen ein Eigenwerk. Ich liebe satte, bunte, knallige Farben und bin immer dabei, wenn es herauszufinden gilt: Paßt das – oder nicht – oder ab wann „beißt“ sich die Zusammenstellung.

Hier eine Arbeit mit Stickquadraten aus Afghanistan.

Wie hast Du angefangen?

Mit ganz klassischem traditionellen Patchwork. Und ich bin auch (für mich absolut) der Meinung, daß das nur so der Weg ist. Und erst, wen die Klassik stimmt, jeder Stern Spitzen wirklich bis in die Spitzen hat – kann ich oder bin ich frei geworden.

Allerdings habe ich schon sehr früh mich umgesehen, über den Tellerrand zu sehen. Was geht ? Was kann ich ? Gelingt mir dies oder nicht ? – Das Ausprobieren, nach anderem, neuem zu Suchen – oder wo etwas endet, das war schon früh „mein Ding“! So bin ich auch bereits früh zu Heide Stoll-Weber zu einem Färbekurs gegangen – und die Kurse in dem damaligen Geschäft von Elke Krusemark-Camin in Mühlheim/Main – waren viele meiner Stationen.

Meine Ideen – finde ich immer und überall. Die Natur ist eine der größten Inspirationsquellen an sich für mich. Sei es mit Farbzusammenstellungen, Quiltlinien, Stimmungen an sich. Fotos, Zeitschriften,

Gerne arbeite ich auch nach Themen – vieles sind Frauen, Künstlerinnen, deren Biographien ich leidenschaftlich verschlinge. Frauenkörper an sich – gerade Frauengesichter.

Kannst Du Deinen Gestaltungsprozess beschreiben?

Ich fange einfach einmal an. Mit Druck, Monoprints, Bemalen etc. Zuvor beschäftige ich mich lange und intensiv mit einem Thema – und dann ist irgendwann die Zeit reif, die Idee ausgebrütet, und ich fange an. Stoffe übermalen – dann bedrucken – für mich müssen die Farben stimmig sein, zusammenpassen nach meinem Gefühl. Es entscheidet bei allem mein Bauch und meine Augen.

Und nix – gibt’s nicht. Ich mache so lange weiter, bis der Quilt für mich stimmig ist und er meinen Ansprüchen genügt.

Ich arbeite nicht nach einem Designplan. Ich habe lediglich eine Designwand (ein Molton) an dem ich die einzelnen Stücke zusammenfüge – und dann am Ende – zusammennähe. Oder ich bedrucke das Top vollständig, quilte – und mache dann noch etwas an Oberflächengestaltung, was ich meine, was paßt.

Die Arbeit „Horizonte“ habe ich zuerst als Quilt fertig gequiltet und dann erst bemalt, um diese Stimmungen zu erhalten: Eine Meeresstimmung, wo es nicht mehr sichtbar ist, ab wann hört das Meer auf und wo beginnt der Horizont. Nach meinem Geschmack ist dieser Quilt mir gelungen – nach dem, was ich gewollt hatte.

Ein großes Vorbild in dieser Technik: Den Quilt fertigstellen, auch fertig gequiltet, und dann erst die Oberfläche zu Bemalen, ist mir die Künstlerin Deidre Adams. Ich beobachte sie schon viele Jahre und ihre Arbeiten gefallen mir sehr. Gerade auch, weil das meinem Gefühl, daß ich ohne Farbe an sich nicht existieren kann – sehr nahe kommt.

Da ich ein sehr fleißiges Mädchen bin, habe ich natürlich viele, viele Quilts hier bei mir in Stoffsäcken, aber auch in vielen Schränken lagern. Nun, ich bemale sie alle! Reihum, wie ich sie ans Tageslicht hole.

Da ich früher intensiv handgequiltet habe und auch handbestickt, manche über und über mit Perlen besetzt habe, nehme ich heute den Schaumstoffroller, walze mir eine Lieblingsfarbe auf – und beginne mit dem Übermalen. Es ergeben sich wunderbare Farbstimmungen durch die gequiltete Strukturen. So bleiben die Quiltlinien zumeist ohne Farben, die gewalzten Farben lieben nur oben auf.

Da ich es auch mit dem Auswaschen der Rolle nicht penibel genau nehme, kommt oft von der zuvor verwendeten Farbe noch die allerletzten Reste zutage – es ist also für mich nichts planbar. Dies liebe ich – diese Überraschungen.

Alle meine Quilts dienen mir vor allen Dingen dazu: Was kann ich – was kommt heraus – wie geht es weiter – wo geht es weiter – und was kann ich noch machen.
Erinnerungen an Deiva Marina.

Ganz  neu sind die Kästchen, kannst Du mir etas dazu erzählen?

Die kleinen Holzkästchen sind von Boesner: 10 x 10 cm. Der Hintergrund von diesen Kästchen ist eine Druckunterlage, die ich nie entferne, und erst wenn sie viele Farbspuren trägt - sie als Hintergründe verarbeite. Gewollt wären sie nur sehr schwer so hinzubekommen.

Das Mädchengesicht - ist eine Thermofaxsiebvorlage von Firma Jeromin in Mannheim: Siebdruck und Druck überhaupt, sind schon viele Jahre meine Vorlieben für die Oberflächengestaltung. Aber auch Holzdruck (die verlorene Platte) habe ich schon eingesetzt.

Dieses Mädchengesicht habe ich als sehr eindringlich empfunden - und es gefällt mir sehr. So habe ich eine ganze Serie gemacht - und obwohl es die gleiche Vorlage/Sieb ist, war jeder Druck anders. Mit Freihandquilten bin ich den Konturen nachgegangen.

Die Mohndrucke sind meine neueste Arbeit. Und bisher nur gedruckt. Dieses Thermofaxsieb habe ich bei Sophie Maechler - quiltstar Freiburg - auf den ersten Blick von der Stelle weg - "adoptiert" und natürlich auch gekauft. Gerade diese filigranen Linien auf dem gekauften Schriftstoff (Schriften liebe ich auch) - ich habe viele VorLieben. Obwohl ich selbst ein solches Thermofaxgerät besitze - fülle ich meine Sammlungen immer auch an gekauften Sieben auf, wenn ich diese in einem Geschäft entdecke.

 

Das Austesten – wird’s was oder wird’s nichts, finde ich immer äußerst spannend. Und ohne stoffliche, kreative Auseinandersetzungen – geht bei mir auch nichts. Schließe ich meine Nähzimmertür hinter mir – beginnt für mich immer eine spannende Welt – in der ich mich vollkommen vergessen und eintauchen kann. Die Neugier und das Austesten: Was geht noch, bereichern mich.

 

Schutterwald, 01. August 2015